Richtig Essen

GfE- Gesellschaft für richtiges Essen und Lebensgestaltung e.V.

Apotheker mit Maulkorb?

Erstellt von r.ehlers am Donnerstag 25. September 2014

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Apotheken-Logo und Schriftzug

Nachfolgend geht es um trockene Rechtsfragen, die nur sehr indirekt mit dem richtigen Essen zu tun haben. Das muss sich nicht jeder Leser antun. Aber manchen Leser wird es doch interessieren, wie die Apotheker – m.E. sehr zu Unrecht- von der Rechtsordnung („den Juristen“) zu reinen Händlern deklassiert werden.

Meine Anfrage an die Apothekenkammer … in …:

Von:  Rolf Ehlers [mailto:re@aminas.de]
Gesendet: Dienstag, 23. September 2014 10:26
An: AK …
Betreff: Geltung der Health Claims Verordnung für Apotheker?

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich bin  rechtlicher Berater des Lebensmittelherstellers Aminas GmbH, Erkrath, die das Produkt Aminas® Vitalkost herstellt und in nicht geringem Umfang auch über  Apotheken vertreibt (PZN-Nummer).

Ich frage mich, ob die Geltung der Health Claims Verordnung und die Verpflichtung zur Registrierung von Wirkaussagen über Lebensmittelprodukte auch für die Aufklärung der Allgemeinheit  über gesundheitliche und krankheitsbezogene Vorgänge durch Apotheker gilt. Apotheker sind auf der einen Seite Verkäufer unserer Produkte, auf der anderen Seite sind sie aber auch Angehörige der Heilkunde und besonders dazu berufen, über Produkte und Wege der Prävention und Heilung von Krankheiten zu beraten. Nach meinem Verständnis passt dazu keine Beschränkung, die die offene Auseinandersetzung auch mit Produkten aus der Erfahrungsmedizin oder anderen Bereichen anordnet.

Nach § 11 Abs. 1 LMFG darf niemand, der Lebensmittel in Verkehr bringt, diesen Wirkungen beilegen, die ihm nach den Erkenntnissen der Wissenschaft nicht zukommen oder nicht hinreichend gesichert sind (2. Alternative), zu verstehen zu geben, dass ein Lebensmittel besondere Eigenschaften hat, obwohl alle vergleichbaren Lebensmittel dieselben Eigenschaften haben (3. Alternative) oder einem Lebensmittel den Anschein eines Arzneimittels zu geben (4. Alternative).

Das OVG Münster hat sich in einer noch nicht veröffentlichten Entscheidung vom 17.7.2014 im Verfahren 13 B 333/14 (gegen Aminas) auf den Standpunkt gestellt, dass vom Gesetz nicht nur die nicht genehmigte definitive Wirkbehauptung  inkriminiert ist, sondern auch die bloße Erwähnung möglicher positiver Wirkungen. Der Umstand, dass der Hersteller oder Vertreiber ausdrücklich erklärt, dass der Eintritt der Wirkungen „nicht hinreichend wissenschaftlich gesichert“ ist, hilft nicht. Ihm ist damit selbst jede Meinungsäußerung oder Hypothese über mögliche Wirkungen verboten. Nach der Logik des Gesetzes und dieser obergerichtlichen Auslegung muss das auch für Apotheker gelten, die dann auch nicht berechtigt sind, generell oder auch nur im Einzelfall eine Empfehlung zum Kauf und Verzehr eines möglicherweise hilfreichen Lebensmittels zu  geben.

§ 12  Abs. 1 verbietet zudem beim Verkehr mit Lebensmitteln krankheitsbezogene Aussagen zu machen. Abs. 2 nimmt davon aber die Werbung gegenüber Angehörigen der Heilberufe, des Heilgewerbes und der Heilhilfsberufe aus. Apotheker sind daher frei, solche Lebensmittel zu verkaufen. Sie dürfen auch  über die Wirkannahmen des Herstellers unterrichtet werden. Es ist ihnen aber verboten, die möglichen Wirkannahmen in der Beratung ihrer Kunden auch nur zu erwähnen. Kann das richtig sein?

Konkret zum Fall der Aminas GmbH und dem Vertrieb ihrer Produkte durch Apotheken:

 

Die Aminas® Vitalkost ist eine getrocknete und hochfein gemahlene rohe Pflanzenkost, die keine Inhaltsstoffe hat, die Wirkungen auslösten, die andere vergleichbare Lebensmittel nicht auch brächten. Ihr von der Aufnahme von Flüssigkeit begleiteter Verzehr in einer kleinen Menge auf den leeren Magen sorgt aber dafür, dass sie nicht im Magen festgehalten bleibt, sondern den im Ruhezustand immer relaxierten Magenpförtner passiert. Im Dünndarm löst sie auf Grund ihrer durch die starke Zerkleinerung enorm vergrößerte Reaktionsfläche und die leichte Verbreitung auf dem gesamten Epithel des Dünndarms einen sehr starken Verstoffwechslungsreiz aus. Die Information darüber geht zweifellos nervös an das Esskontrollzentrum des Hypothalamus, der dann eine Chemotaxis nach den Bausteinen für den Aufbau des Botenstoffes Serotonin im Hirnstamm auslöst. Viele Tausende Nutzer bestätigen subjektive Wirkungen, die eigentlich nur durch die Aktivierung von Serotonin erklärt werden können.

Da jeder Mensch aber einen variablen zerebralen Serotoninstatus hat und sich Serotonin, wenn auch oft unzureichend, auf vielen Wegen bilden kann, ist kaum damit zu rechnen, dass die Forschungsergebnisse des Herstellers in absehbarer Zeit „hinreichend wissenschaftlich gesichert“ werden können. Im Ergebnis bleibt das Wissen um eine praktisch sichere natürliche Serotoninquelle vor der Öffentlichkeit verborgen.

Schlimmer noch: Die verbale Auseinandersetzung mit möglicherweise wirklich hilfreichen Produkten neben der klassischen Medizin und Pharmazie wandert ab ins Internet und kommt aus dem Ausland zurück mit der Bewerbung der verrücktesten und verlogensten Produkte!

Ich fürchte, dass dies der rechtliche Stand der Sache ist. Ich bin Ihnen sehr zu Dank verbunden, wenn Sie mir dazu Ihre Meinung zukommen lassen könnten.

Die Aminas GmbH wird natürlich in jedem Falle den Verkauf ihrer Produkte über Apotheken voran treiben, obwohl sie auf den Etiketten und in ihrer ganzen Werbung für die Allgemeinheit über die Frage der Verbesserung des Serotoninlevels kein Wort verlieren darf und selbst die von Amts wegen kundigen und  verantwortlichen Apotheker mundtot sind. In der Information der Apotheker durch die Aminas GmbH braucht diese die Gewissheit über die Rechtslage. Sie will unter gar keinen Umständen den Apothekern Rechte absprechen, die ihnen nicht nur zustehen sollten, sondern auch tatsächlich gesetzlich gegeben sind (wenn das so sein sollte). Sie will Apothekern aber auch nicht einreden, dass sie frei seien über die Aminas® Vitalkost ihre eigene Meinung zu äußern, wenn das Gegenteil der Fall ist.

Mit freundlichen Grüßen

Rolf Ehlers

Antwort der Apothekenkammer:

Von: .. . AK…
Gesendet: Mittwoch, 24. September 2014 15:10
An: Rolf Ehlers
Cc: …,..
Betreff: AW: Health -Claims-Veordnung

Sehr geehrter Herr Ehlers,

Bezug nehmend auf Ihre Anfrage vom 23. September 2014 teilen wir mit, dass wir derart spezielle Rechtsfragen zur Health-Claims Verordnung letztlich nicht verbindlich beantworten können, zumal Lebensmittel grundsätzlich nicht zu den apothekenüblichen Waren zählen. Unter die Definition des § 1 a ApBetrO fallen vielmehr nur die Lebensmittel, die – wie z.B. diätetische Nahrungsmittel, Nahrungsergänzungsmittel u.a. – einen erhöhten Bedarf der jeweiligen Konsumenten ausgleichen. Die verbindliche Einstufung, ob ein Produkt im Einzelfall apothekenüblich ist, wird zuständigkeitshalber von den Amtsapothekern der Städte und Kreise vorgenommen.

Vor diesem Hintergrund haben wir uns wegen Ihrer Anfrage an eine Kollegin von der …  gewandt, die auf den Lebensmittelbereich spezialisiert ist. Insoweit erlauben wir uns, hinsichtlich der Beantwortung Ihrer Anfrage auf die unten stehenden Stellungnahme von Frau Rechtsanwältin … zu verweisen.

Mit freundlichen Grüßen

im Auftrag


Rechtsanwältin
Von: … [mailto:…]
Gesendet: Mittwoch, 24. September 2014 12:11
An: …, AK…
Betreff: AW: Health -Claims-Veordnung

Liebe …,

ich habe mir die Sache einmal angeschaut. Hier meine Anmerkungen:

Insgesamt kann man sich auf den Standpunkt stellen, dass ein Apotheker mit Aussagen, die er einem Kunden gegenüber tätigt, nicht unter die Health Claims Verordnung fällt. Nach Art. 1 Abs. 2 Health Claims Verordnung gilt die Verordnung für nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben, die in kommerziellen Mitteilungen bei der Kennzeichnung und Aufmachung von oder bei der Werbung für Lebensmittel gemacht werden, die als solche an den Endverbraucher abgegeben werden sollen. Empfehlungen von Ärzten gegenüber ihren Patienten stellen in der Regel nicht kommerzielle Mitteilungen im Sinne der Vorschrift dar, wenn z.B. ein Arzt einen Patienten hinsichtlich der Ernährung berät und hierbei gewisse Empfehlungen ausspricht (Meisterernst/Haber, Health & Nutrition Claims Praxiskommentar, Art. 12, Rn. 8). Das muss man wohl im Ergebnis auf einen Apotheker übertragen, der im Rahmen seiner Beratungspflicht einen Kunden berät.

Verboten ist nach Art. 12 c Health Claims Verordnung in jedem Fall eine Angabe, die auf einer Empfehlung von einem Apotheker beruht. Das Unternehmen selber kann also in keinem Fall Empfehlungen von Ärzten oder Apothekern übernehmen und damit werben. Eine derartige Kommerzialisierung an sich zulässiger Empfehlungen Dritter ist nicht erlaubt.

Ein Apotheker muss sich aber an die allgemeinen Irreführungsverbote halten (Zipfel/Rathke, Lebensmittelrechtkommentar, Art. 12 Health Claims Verordnung, Rn. 10). So ist es z.B. nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) verboten, Lebensmittel unter irreführender Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung in den Verkehr zu bringen oder für Lebensmittel allgemein oder im Einzelfall mit irreführenden Darstellungen oder sonstigen Aussagen zu werben. Eine Irreführung liegt insbesondere dann vor, wenn einem Lebensmittel Wirkungen beigelegt werden, die ihm nach den Erkenntnissen der Wissenschaft nicht zukommen oder die wissenschaftlich nicht hinreichend gesichert sind. Wenn das Unternehmen schon selber ausführt, dass die Wirkungen nicht hinreichend belegt sind, dann darf der Apotheker nach der Vorschrift auch nicht damit werben.

Des Weiteren ist es nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 LFGB verboten, beim Verkehr mit Lebensmitteln oder in der Werbung für Lebensmittel allgemein oder im Einzelfall Aussagen, die sich auf die Beseitigung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten beziehen, zu verwenden. Es ist unerheblich, dass die Verbote des Absatzes 1 nicht für die Werbung gegenüber Angehörigen der Heilberufe, des Heilgewerbes oder der Heilhilfsberufe gelten. Denn hier geht es um Aussagen, die der Apotheker den Verbrauchern (Kunden) gegenüber tätigt. Für Lebensmittel dürfen derartige Aussagen nicht getroffen werden.

Ich hoffe, dass die Ausführungen hilfreich sind. Falls Du noch Fragen hast, meld Dich gerne.

Liebe Grüße

RAin

 

Meine Entgegnung und Dank:

Sehr geehrte Frau Rechstanwältin …,

ich danke Ihnen und Frau Rechtsanwältin Dr. … sehr für die Mühe und die eingehende Befassung mit der Sache. Frau Dr. …ist mir vom Fach her gut bekannt. Sie hat auch bei befreundeten Unternehmen einen guten Ruf. Ich werde mir gesondert die Freiheit nehmen, … (sie) einmal gesondert im Namen der von mir geleiteten Gesellschaft für das richtige Essen e.V. (GfE) anzuschreiben. Anders als die dortige Einrichtung  sind wir nicht klagebefugt, stellen aber immer wieder eklatante Verstöße von Herstellern und Vertreibern fest, die (auch auf strafbare Weise) das Lebensmittelrecht wie das Wettbewerbsrecht zugleich verletzen.

So ganz stimme ich Ihrer eigenen Beurteilung nicht zu, dass Sie nicht zuständig wären für die Aussagen von Wirkungen bestimmter in der Apotheke verkauften Lebensmittel. Meine Frage ging ja auch gezielt dahin, wie weit ein Apotheker der Öffentlichkeit gegenüber eine Aussage über gesundheitliche Wirkungen von ihm verkaufter Lebensmittel (zu denen auch die Nahrungsergänzungsmittel gehören) machen darf. Dass solche Produkte apothekenüblich sind, ist allgemein bekannt.

Im Ergebnis sehe ich durch die Ausführungen von Frau Dr. …bestätigt, dass der Maulkorb der Health Claims Verordnung tatsächlich für Apotheker ebenso gilt wie für alle Normalbürger, die nicht Angehörige der Heilberufe sind. Nach meiner Meinung werden sie im Interesse der Medizinhersteller bewusst auf die bloße Verteilung von pharmazeutischen Produkten festgeschrieben.

Dass ein Apotheker auch ein gelernter Pharmazeut ist, geht dabei unter. Statt dass die evidenzbasierte Medizin sich vorsichtig den Wegen der Erfahrungsmedizin öffnet, raubt sie den Apothekern ihren besonderen Status als Co-Heilern neben den Ärzten, obwohl doch unübersehbar ist, dass die Medizin auch eine Erfahrungswissenschaft ist, die noch längst nicht alle Funktionen des menschlichen Körpers, Gemüts und Geistes versteht und auch nicht die Summe der Wirkungen der vielen in der Natur schon vorkommenden Wirksubstanzen.

Als Körperschaft des öffentlichen Rechts sind Sie allerdings nicht in erster Linie Ihren Mitgliedern verpflichtet, sondern dem Gesetz. Und da ist die nachvollziehbare Auskunft von Frau Dr. … absolut klar: der heutige Gesetzgeber , jedenfalls so wie ihn die Rechtsprechung derzeit versteht, zwingt den Apothekern eine Begrenzung ihrer Aktivitäten auf, die dem eigentlichen Berufsbild des Apothekers und seinen wirklichen Fähigkeiten Hohn spricht.

Mit freundlichen Grüßen

Rolf Ehlers